Abschaltung von Windkraftanlagen kann mit neuer Netztechnik vermieden werden; Einsatz von Hochtemperaturseilen senkt Kosten des Netzausbau, fördern die Akzeptanz und beschleunigen die Energiewende
Berlin. Der Netzausbau ist die Achillesverse der Energiewende. Ihr Gelingen hängt entscheidend davon ab, ob die Netze fit für die Einspeisung und den Transport Erneuerbaren Stroms sind. Vollkommen unberücksichtigt gelassen hat die Netzausbaustudie dena II bei der Ermittlung des Neubaubedarfs von Stromtrassen die Ertüchtigung vorhandener Leitungen durch den Einsatz moderner Hochtemperaturleiter (HTLS), die die doppelte Strommenge transportieren können. Dadurch könnte der Neubaubedarf von Stromtrassen erheblich reduziert werden.
Eine heute veröffentlichte Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) hat sich dieses Themas angenommen und die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Hochtemperaturleitern untersucht. Die Studie kommt zu dem Schluss: Die Ertüchtigung vorhandener Trassen mittels Hochtemperaturseilen kann eine wirtschaftliche Alternative zum Trassenersatz durch Leiter größeren Querschnitts darstellen. „Diese moderne Technologie versetzt uns in die Lage, den Netzausbau zu beschleunigen. So müssen wir nicht in ein zeitintensives Planfestellungsverfahren gehen. Außerdem entschärft die Ertüchtigung bereits vorhandener Trassen auch die Akzeptanzfrage, die sich uns beim Bau neuer Trassen immer stellt“, begrüßt der Präsident des Bundesverbandes WindEnergie e.V. (BWE), Hermann Albers, die Ergebnisse der RWTH-Studie.
„Die Studie“, so Albers weiter „zeigt außerdem, dass dena II nicht der Weisheit letzter Schluss ist, sondern dass neue Technologien in der Netzausbauplanung stärker berücksichtigt werden müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium wird an der Nutzung dieser Technologien nicht vorbeikommen, denn die Gesetzgebungsverfahren zur Beschleunigung des Bundesnetzausbaus zeigen noch keine Erfolge“.
Der Vorteil von Hochtemperaturleitern gegenüber konventionellen Leitern besteht darin, dass sie bei gleichbleibendem Querschnitt eine höhere Betriebstemperatur und damit eine wesentliche höhere Strombelastbarkeit zulassen. Als Pilotprojekte kommen Hochtemperaturleiterseile bereits heute unter anderem in Schleswig-Holstein (Ostermoor-Marne) oder Niedersachsen (Hanekenfähr-Gersteinwerk) erfolgreich zum Einsatz. Gerade für den Ausbau der Windenergie spielt der zügige Netzausbau eine zentrale Rolle. Eine Studie, mit der der Bundesverband WindEnergie das Beratungsunternehmen Ecofys beauftragt hatte, konnte erst kürzlich zeigen, dass die Abschaltungen von Windenergieanlagen aufgrund von Netzengpässen von 2009 auf 2010 um bis zu 69 Prozent gestiegen sind. „Damit ging wertvoller Windstrom in Höhe von bis zu 150 Gigawattstunden verloren. Es ist davon auszugehen, dass sich dieses Problem ohne den entsprechenden Netzausbau in den nächsten Jahren verschärfen wird,“ erläutert BWE-Präsident Albers.